Hamburg 2001 – wissenschaftliches Programm
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GP: Geschichte der Physik
GP 3: Funktion und historische Entwicklung von Graphen, Schemata und Diagrammen
GP 3.2: Vortrag
Dienstag, 27. März 2001, 09:45–10:30, CCH S15
Die Dynamik bildlicher Repräsentation: Wie Faraday magnetische Kurven in Bewegung setzte — •Friedrich Steinle — Max-Planck-Institut fuer Wissenschaftsgeschichte
Kraftlinien sind heute ein völlig selbstverständliches Element der Beschäftigung mit Elektrizität und Magnetismus. Noch vor 200 Jahren dagegen wurden ganz andere begriffliche Mittel verwendet. Im Vortrag untersuche ich, was Michael Faraday dazu bewogen hat, solche bildlichen Darstellungen erstmals zu verwenden und weiterzuentwickeln, obgleich sie für lange Zeit als unphysikalisch belächelt oder ignoriert wurden. Entscheidend waren seine Arbeiten zur elektromagnetischen Induktion in den Jahren 1831-32. Im Kontext intensiven Experimentierens versuchte er, "phänomenologische" Regularitäten zu formulieren. Die traditionellen Begriffe erwiesen sich als unzulänglich, und nur mit der neuen Darstellungsweise der "magnetischen Kurven" konnte Faraday aus einer großen Zahl experimenteller Befunde Sinn machen. Die Entwicklung verlief keinesfalls geradlinig; an einigen Punkten sah sich Faraday im Konflikt zwischen seinen methodischen Grundsätzen und Veröffentlichungszwängen. Überdies veränderte sich der Charakter des Darstellungsmittels im Laufe der Entwicklung entscheidend und die "magnetischen Kurven" entfalteten eine nicht vorhersehbare Eigendynamik. Der Fall illustriert markant, wie stark bildliche Darstellungen nicht nur abbildende Funktion haben, sondern auch generative Kraft entwickeln können.