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Leipzig 2002 – wissenschaftliches Programm

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PV: Plenarvorträge

PV IV

PV IV: Plenarvortrag

Dienstag, 19. März 2002, 09:00–09:45, Gewandhaus

Droht eine globale Wasserkrise? — •Wolfgang Kinzelbach — Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaft, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, HIL G 37.3, ETH Zürich, CH-8093 Zürich Hönggerberg

In der letzten Zeit wird in der Presse und von Organisationen im Wasserbereich oft eine drohende globale Wasserkrise beschworen. Es wird gemutmaßt, daß Wasser die erste Ressource ist, die Wachstum und Entwicklung weltweit beschränkt, und daß Wassermangel zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen wird.

Vergleicht man die Preise von Wasser und Erdöl wird klar, daß Wasser zu billig ist, um Kandidat für eine globale Krise zu sein. Berücksichtigt man allerdings, daß 70% des vom Menschen genutzten Süßwassers in die Bewässerungslandwirtschaft gehen, so hat Wasser konzentriert in Form von Nahrungsmitteln sehr wohl einen Weltmarkt und damit globale Relevanz.

Optimisten gehen davon aus, daß die bis 2050 erforderliche Nahrung für zusätzliche 3 Milliarden Menschen durch Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft bereitgestellt werden kann. Pessimisten prophezeien Hungersnöte und behaupten, daß bereits heute die Landwirtschaft vielerorts nicht nachhaltig ist. Gewinnen an Produktion werden Verluste durch Degradation bewässerter Nutzflächen gegenübergestellt. Hinzu kommen unbekannte klimatische Einflüsse. Für eine abschließende Beurteilung ist die Datenbasis heute unzureichend. Aber die durch rationelle Bewirtschaftung und Steuerung realisierbaren Einsparpotentiale sind beträchtlich.

Die Menschheit nutzt heute rund ein Drittel des zugänglichen globalen Abflusses. Dieser Anteil muß als hoch angesehen werden, wenn man sich die Heterogenität des Dargebots in Raum und Zeit vergegenwärtigt. Jede globale und deshalb mittelnde Betrachtung übersieht die wichtigsten Aspekte von Wassermangel. Wassermangel ist nicht neu. Statt auf die globale Krise zu spekulieren lohnt es sich, Regionen mit endemischem Wassermangel zu analysieren und eine nachhaltige Ressourcennutzung einzuleiten.

Die Umweltphysik kann zu den Grundlagen einer nachhaltigen Wasserwirtschaft in vielfältiger Weise beitragen. Informiertes Handeln bedarf prognostischer Modelle, die wiederum mit Daten auf ihre Prozeßwahrheit überprüft werden müssen. Die Fragen an die Physik betreffen sowohl die Modellbildung als auch die Datenbeschaffung unter Einsatz von Umwelttracern, Isotopenmethoden, Fernerkundungsmethoden, Geophysik, Sensorik u.ä. Die Hydrologie ist auch ein sehr lohnendes Anwendungsgebiet für die Methoden der statistischen Physik, die beim Skalenübergang von der Skala der Messung zur Skala der Modelle oder bei der Risikoanalyse gefragt sind. Daneben werden Methoden der sozio-ökonomischen Systemanalyse immer wichtiger. An Fallbeispielen wird aufgezeigt, wie diese Methoden für die Beantwortung wasserwirtschaftlicher Fragen insbesondere in der ariden und semi-ariden Welt eingesetzt werden können. Die Beispiele betreffen das Okavango-Delta sowie Grundwasservorkommen in Nordafrika, Niger und Nord-Botswana.

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