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Augsburg 2003 – wissenschaftliches Programm

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GP: Geschichte der Physik

GP 2: Experiment I

GP 2.3: Vortrag

Mittwoch, 19. März 2003, 15:00–15:30, 1003

Legenden und Vermutungen über Röntgens Entdeckung im Lichte zeitgenössischer Korrespondenzen und Niederschriften — •Günter Dörfel1, Klaus Hübner2 und Gottfried Landwehr31Dresden — 2Heidelberg — 3Würzburg

Als Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) zum Jahreswechsel 1895 auf 96 über seine Entdeckung einer neuen Art von Strahlen berichtete, wies er in durchaus zutreffender Allgemeinheit darauf hin, dass diese Strahlung beim Durchgang einer elektrischen Entladung durch eine Hittorfsche Vacuumröhre oder einen genügend evacuierten Lenardschen, Crookesschen oder ähnlichen Apparat entstehe. Angaben über die Genesis seiner Entdeckung machte er weder in dieser noch in den beiden nachfolgenden Mitteilungen (1896, 1897). Die Motive Röntgens, eine durchaus verständliche und im wissenschaftlichen Sinne auch legitime Neugier unbefriedigt zu lassen, kennen wir nicht - wohl aber die Folgen. Aus persönlichen, später auch politischen und ideologischen Beweggründen verengten sich die zunehmend polemisch geführten Erörterungen auf die Frage, welche Rolle eine vom Braunschweiger Glastechniker Louis Müller-Unkel (1853-1938) auf Anregung Philipp Lenards (1862-1947) gefertigte Fenster-Röhre (Lenard-Röhre) bei der Entdeckung der neuen Strahlen gespielt habe, und wie Röntgen mit Lenards Vorarbeit umgegangen sei. Der Mythenbildung war Tür und Tor geöffnet. Die Autoren unternehmen den Versuch, an Hand bisher unbeachteter bzw. kürzlich erst erschlossener zeitgenössischer Dokumente und Niederschriften den wissenschaftlichen Intentionen Röntgens vor und während der Entdeckung der neuen Strahlen bzw. seinen Experimenten zu deren Verifizierung nahe zu kommen. Der Schriftwechsel zwischen Lenard und den Wolfenbüttelner Physikern Julius Elster (1854-1920) und Hans Geitel (1855-1923) sowie deren Korrespondenz mit Müller-Unkel verweisen ebenso wie Lenards eigene wissenschaftliche Aufzeichnungen die Auffassung, Lenard sei durch unglückliche Umstände an der ausgiebigen Erprobung der von ihm angeregten Röhre und nur dadurch an der Entdeckung der neuen Strahlen gehindert gewesen, in das Reich der Legende. Eine Analyse der Bestellkorrespondenz Röntgens aus den Jahren 1891 bis 1896 weist dem Glasbläser, dessen Geburtstag sich am 13. Februar 2003 zum 150. Male jährt, tatsächlich eine zentrale Rolle zu aber eben nicht (oder nicht nur) mit Blick auf die 1894 gefertigte und an Röntgen gelieferte Fenster-Röhre. Im Mittelpunkt stehen nun andere Röhren Hittorfsche Röhren verschiedener Ausformung und Experimente. Die damit erlangten Einsichten, so weit sie sich heute indirekt aus der ausgewerteten Korrespondenz erschliessen, veranschaulichen die extreme Dynamik der damals ablaufende Prozesse. Dass diese Zwischenergebnisse als eigenständige wissenschaftliche Leistungen entgegen der ursprünglichen Absicht Röntgens keine publizistische Würdigung fanden, ist eben dieser Dynamik zuzuschreiben. Mit der fatalen Konsequenz, das damit unwissenschaftlichen Interpretationen und Spekulationen, eben Legenden, ein fruchtbares Feld bereitet war.

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