Augsburg 2003 – scientific programme
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GP: Geschichte der Physik
GP 8: Drittes Reich
GP 8.2: Talk
Thursday, March 20, 2003, 17:30–18:00, 1003
Bothes Fehler - Hatte die fehlerhafte Messung des Neutroneneinfangsquerschnitts des Kohlenstoffs von Bothe Eisfluss auf die deutsche Reaktorentwicklung im Ditten Reich? — •H. Kahlert — Furtwangen
Der Physiknobelpreisträger des Jahres 1954, Walter Bothe (1891-1957), gehörte in den 20er bis 50er Jahren zu den führenden deutschen Experimentalphysikern. Politisch patriotisch bis nationalistisch eingestellt, begann er in Heidelberg ab Juni 1940 für das Heereswaffenamt (HWA), Messungen am Neutronenquerschnitt des Kohlenstoffs durchzuführen. Als wichtiges Mitglied des Uranvereins war er meist an den wichtigen Tagungen des HWA beteiligt. Seine Messergebnisse vom Juni 1940 bis Januar 1941 standen im grossen Widerspruch zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppe um Georg Joos (1894-1959). Georg Joos, direkter Nachfolger des emigrierten Nobelpreisträgers James Franck, war neben dem Physikochemiker Paul Harteck (1902-1985) im übrigen der Mitinitator des deutschen Atomprogramms bereits im April 1939. Georg Joos wies im März 1940 explizit darauf hin, dass nur natürlicher Stärke-Kohlenstoff mit vormaliger gründlicher Wärmebehandlung als Moderatorstoff fungieren kann, da andere Kohlenstoffarten zu stark mit den sehr starken Neutronenabsorbern Cadmium und Bor kontaminiert waren. Nichtsdestotrotz blieben die Messergebnisse Bothes für den Uranverein längere Zeit gültig. Der Vortrag versucht diesen Sachverhalt kurz zu erklären und die evtl. technikhistorischen Konsequenzen darzulegen. Ausserdem wird kurz gezeigt, inwieweit die falschen Ergebnisse Bothes einen Einfluss auf die deutsche Reaktorentwicklung (Schwerwasserreaktor) im Dritten Reich hatte, da die Amerikaner beinahe zeitgleich bekanntlich einen Kohlenstoff moderierten Reaktor zur Erbrütung des Bombenplutoniums entwickelten. Manche Historiker (z.B. Powers, Irving) messen der kleinen Episode der Physikgeschichte eine grössere historische Dimension bei, so dass zumindest die Gefahr besteht, ein weiterer Mythos der deutschen Physikgeschichte die Verhinderung einer deutschen Atombombe in den Händen Hitlers in die Welt zu setzen.