Berlin 2005 – scientific programme
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GP: Geschichte der Physik
GP 6: Geschichte der Physik III
GP 6.1: Talk
Tuesday, March 8, 2005, 11:00–11:25, TU H3024
Von Albert Einstein bis Norbert Wiener: Frühe Ansichten und späte Einsichten zum Phänomen des elektronischen Rauschens. — •Günter Dörfel1 und Dieter Hoffmann2 — 1Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden — 2Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin
Das elektronische Rauschen ist eine Konsequenz aus der Quantelung der elektrischen Ladung und damit des Stromflusses. Insofern ist das Phänomen allgegenwärtig; und es war schon zeitig - spätestens mit der Geburt der elektronischen Verstärkertechnik - beobachtbar. Die subjektiv lästige akustische Wahrnehmung wurde auf einengende Weise begriffsbildend. Das demgegenüber universelle Phänomen der Fluktuation der Ladungsträger vermittelte einen Einblick in das Wesen Strom leitender Körper oder Räume; seine mathematische Fassung fixierte schließlich objektive, disziplinübergreifende Bezugsgrößen zur Beurteilung informationstragender Prozesse.
Die Geschichte der Voraussage, Entdeckung, Beschreibung und Nutzung des Phänomens ist begleitet von Fehleinschätzungen, Missverständnissen, Unterlassungen und Irrtümern, die ein Licht werfen auf den mühsamen Weg der Herausbildung eines modernen physikalischen Weltbildes in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts. Beim Nachzeichnen einiger wesentlicher Stationen dieses Prozesses - rück- und ausblickend von den heute als zentral angesehenen Arbeiten H. Nyquists und J. B. Johnsons zum thermischen Widerstandsrauschen aus dem Jahre 1928 - wollen wir der Frage nachgehen, welche Denkansätze sich als tragend erwiesen, welche Vorleistungen genutzt und welche Querverbindungen übersehen wurden. Das schließt den Versuch einer Analyse ein, welche Rolle und Bedeutung Zeitgeist und Zeitgeschichte den in diesem Prozess jeweils handelnden Personen und Gruppen zuwiesen. In dieser Zuweisung spiegelt sich, ungeachtet aller Subjektivität der Wahrnehmungen und Wertungen, ein für diese Zeit typischer und heute oft historisch verkürzt wahrgenommener Paradigmenwechsel wider. Es brauchte mehrere Jahrzehnte, bis sich die Fragestellungen von der Suche nach auch quantitativ verwertbaren Belegen für die atomare Struktur der Materie hin zur Nutzung der darauf gegründeten Phänomene gewandelt hatte.